Schnee

Wir saßen während der Proben in neonbeleuchteten Masken-Räumen. Ich trank Salbeitee. Wir vermieden Blicke und Worte ohnehin. Meine Stimme hatte ich verschluckt. Wir arbeiteten. Und am Ende des ersten Tages sagte sie: Tschüß. Und ich lächelte.  

   

Und dann spielten wir und in den Pausen erzählten wir uns Geschichten.  

Kleine. Nicht zu viel und am Abend gingen wir aus.  

Wir saßen in Großstadtclubs. Sie saß mir gegenüber. Wir lachten sogar, manchmal. Und irgendwann redeten wir auch, über äußere Dinge, über die Gegenwart, über die Vergangenheit. Dann war es Zeit zu schlafen und wir redeten nicht mehr über die Zukunft und Schnee fiel in dicken Flocken an die Scheiben des Großstadtclubs als ich beschloss in der Stadt bei der Freundin zu übernachten und erst am Morgen in den Wald zu fahren weil es zu glatt war.

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Couleurs de coer

Ich stand gefestigt auf der Bühne und unterhielt mich in neonblau, als die Stimmen aus dem Off anschwollen. Ich unterhielt mich lauter über Saunaaufgüsse und wagte einen kurzen Blick Richtung schwarz. Zwischen meinen Rippenbögen verspürte ich ein fernes Ziehen, einen kleinen Stich und mühte mich es nicht wahrzunehmen. Meine Stimme erhob sich, ich lachte und unterhielt mich in rosenrot.

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Wechsel

In den Städten begannen Lichter an den Fenstern zu leuchten. Auch wir stellten Lichter in die Fenster.
Die geschäftige Zeit begann, Ablenkung vom Stillstand. Tannenbäume wurden gefällt, Schnee fiel, Kinder lachten Weihnachtsmänner an. Der Kamin verbrannte altes Holz und in vielen Räumen roch es nach Bratäpfeln und Keksen.
Der große Tag der kleinen Kinder kam und ging auch genauso vorbei.
 
Neue Karten wurden gemischt und das nächste Jahr lachte verschlafen durch die Schneelandschaft.
Die Geburt   des neuen Jahres lag hinter mir, das Blut war aufgewischt, das Haus gelüftet, das Essen verdaut, die Tränen getrocknet, das Herz beruhigt und offen für die neuen Dinge, die das Jahr bringen würde.
Eine weise Frau gab mir einen blauen Faden, der mir einen neuen Weg weisen sollte,   einen Zweig der Stechpalme, die mir Kraft und Leben geben sollte und auf mein Bitten um einen neuen Job noch eine Lire-Münze. Was die bedeutete wusste ich nicht. Außerdem gab sie mir eine Karte. Ich mag diese Rituale nicht. Sie gab mir den Ritter der Schwerter und sagte Trennung.
Ich weinte.

Ich schaute nach vorne um zu sehen wie es weiterging. Erst stockte es. Dann schellte das Telefon um achtzehn Uhr fünf an einem Freitag im Januar. Das Lächeln setzte sich zu mir auf die Kissen, erst das Lächeln, dann das Lachen und später dann die Aufregung. Ich hatte einen Job. Ich würde Bücher verkaufen.

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Martin

Der November regnete in den Wald und Kinder trugen Laternen durch die Straßen. Wie Galgen zeichneten die Bäume Konturen in den Himmel und nur noch selten konnte man die Sonne sehen. Allüberall war es braun und ocker und grau.
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alle Heiligen

Ein einsames Blatt trieb den Fluss hinunter, Richtung Stadt.  

   

Bald waren die düsteren Gedanken in die Nacht verbannt. Auf der Rückfahrt schliefen wir ein. Novemberwind wehte durch die Gassen und durch den Wald und die Welt hörte auf, sich zu drehen. Auf den Gräbern leuchteten rote Lichter, das sah lustig aus und der Himmel regnete dazu einen langweiligen Blues.

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Nighthowls

Draußen regnete es, der Fluss riss halbe Bäume mit sich. Alles war braun und nass. Auch die dicken Backsteinmauern der Industriegebäude vor der Brücke auf der wir standen, Hand in Hand. Und auf der wir in den reißenden braunen Strom schauten.    
 
Unsere Ränderaugen glühten heiß und Marmeladenflecken langweilten mich und schrieen um Vergebung.

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beim Ball Parée

Ich kehrte zurück in Technohöhlen an deren Wänden skeletierte   Büffelschädel hingen und 23- jährige Jungs mit Rundrücken sich rudernd zu etwas, das von Musik weit entfernt schien, bewegten.
Meine Ohren taten weh.
 

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beim Ball Parée

Ich liebte den Herbst.
Im Wald war er besonders schön.
Jeden Tag sah man die Bäume in einer leuchtenderen Farbe sterben und die Luft war blau und klar. Der Wald brannte in glühendem rot. Und die Blätter segelten von den Bäumen. Und ein Schwarm Stockenten zog in den Süden oder Osten, dorthin wo es wärmere Gedanken gab. Am Morgen lagen auf den Feldern die Nebel und hüllten das Land in eine Traumwelt aus Watte.

Dann war ich in Amsterdam.

Ich aß Pralinen und ging mit Ihm auf einen Trödelmarkt. Die Boote waren voller Laub und es regnete. Er fotografierte mich. Der Regen roch nach Herbst. Die Coffeeshops nach Marihuana.
Wir aßen Falafeln und er lachte mich an, weil sie zu scharf waren und davon Tränen die Wangen entlang liefen. Das Kind trank Limo. Überall konnte man Tulpenzwiebeln kaufen. Jetzt pflanzen – stand auf den Schildern.

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und…

Vor mir lagen rote Heftchen. Darin standen Geschichten. Geschichten von jungen Männern, die ständig grüne Becksbier-Dosen bei sich tragen. Männer die in Vorstadt-Plattenbausiedlungen leben und schreiben.
Verstreute rote Heftchen, in jedem ein Stück Himmel.
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ff.

Es war kalt. Die Nachtspeicher waren laut aber sie wärmten nicht.  

Ich genoss die Einsamkeit und wühlte mich mitunter ins Netz.
Ich kaufte mir Harry Potter und ich las Reich-Ranicki. Sein Leben. Manchmal. Immer noch suchte ich weibliche Gegenwartslyrik. Ich fand keine, jedenfalls in keiner Buchhandlung.

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